Ich hatte in einem vorherigen Blogbeitrag bereits von der Herkunftsfamilie gesprochen. Jeder, der eine eigene Familie gründet, hat zuvor eine andere Familie erlebt. Dieses Erleben trägt viel dazu bei, wie er sein eigenes Familienleben gestalten wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob die eigene Familiengeschichte als positiv oder negativ empfunden wird. Im einen Fall führt es dazu, dass Gewohnheiten und Werte der Herkunftsfamilie übernommen werden, im anderen Fall führt es dazu, dass sie abgelehnt und „das Gegenteil“ zur Orientierung gewählt wird. Dennoch hat die erlebte Familiengeschichte und vor allem unsere Interpretation des Erlebten mehr Einfluss auf unser Denken und Handeln, als uns oft bewusst ist. Und das zeigt sich vor allem in Stresssituationen.
Ist beispielsweise eine Mutter sehr autoritär erzogen worden und hat unter der engen Erziehung gelitten, wird sie sich vielleicht vornehmen, bei ihren eigenen Kindern ganz anders zu handeln. Sie begegnet ihnen mit viel Liebe und gibt ihnen möglichst viele Freiheiten. Wenn sich dann aber die Kinder gegen ihre Autorität stellen (was zu jeder normalen Entwicklung dazugehört, wie wir noch hören werden) und sie mit ihren liebevollen Methoden auf Granit stößt, kann die Ratlosigkeit, Frustration und der allgemeine Stress rundherum dazu führen, dass sie auf die in der Kindheit erlernten Strukturen zurückgreift und hart durchgreift, laut oder sogar handgreiflich wird. Hinterher tut es ihr leid und sie schämt sich, weil sie doch nie so reagieren wollte, wie sie es selbst erlebt hat. Doch in Stresssituationen setzen gute Vorhaben aus und wir greifen automatisch auf das zurück, was wir aus der Kindheit kennen. Es ist natürlich genauso gut möglich, auf der anderen Seite vom Pferd zu fallen und dem Willen des Kindes immer nachzugeben, was für den Moment Frieden bringt, langfristig für das Kind aber schlecht sein kann.
Egal wie wir es betrachten, die selbst erlebte Familiengeschichte hat Einfluss darauf, wie wir unsere eigenen Kinder erziehen wollen.
Übung: Ich möchte Sie einladen, sich 5 Minuten lange Gedanken darüber zu machen, welche Erziehung sie selbst genossen haben und ob sie Parallelen zwischen ihrer Herkunftsfamilie und ihrer eigenen Familie entdecken können.
Denken Sie danach nochmal 2 Minuten nach, was von Ihrem Partner noch zusätzlich mitgebracht wird.
Wenn zwei Menschen mit unterschiedlicher Herkunftsgeschichte zusammenkommen und beschließen, eine Familie zu gründen, wird es spannend. Denn es ist nicht immer leicht, die unterschiedlichen Gewohnheiten zusammenzubringen. Daher kommt es oft schon in den ersten Jahren wieder zur Trennung. Spannend wird es dann wieder, wenn es nicht nur um Haushalt und Alltagsleben geht, sondern um die Erziehung der eigenen Kinder. Die gute Nachricht ist, dass man nicht zwingend den gleichen Erziehungsstil haben muss. Viel wichtiger ist, dass man respektvoll miteinander umgeht und den anderen mit seinem jeweiligen Stil akzeptiert. Wo das nicht möglich scheint, muss man Kompromisse finden.
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